90 Jahre Tankstelle u.v.m.
Zwei Jubiläen sind unweigerlich mit dem Fußballsport in einem Atemzug
zu nennen:
Omnibus (100 Jahre) und Dosenbier (60 Jahre).
Würden die heutigen Auswärtsfahrten allerdings noch immer mit dem alten Benz-Bus von 1895 bestritten,
müßten wir uns für ein Wochenendspiel in z.B. Mainz eine ganze Woche freinehmen,
da sich das Gefährt mit gerade mal 20 km/h fortbewegte. Wäre heute ein Idealfahrzeug für
verkehrsberuhigte Zonen.
SO GING'S LOS
Doch konzentrieren wir uns auf das viel spannendere 60-Jahre-Jubiläum der metallenen Getränke-Verpackung.
Bereits 1810 stellte der Engländer Durand die ersten Weißblechdosen her, deren Verzierung allenfalls aus
bemaltem Papier bestand, ehe,
mit der Erfindung der Litographie 1837, die Blechdose ihren Siegeszug antrat, denn ab sofort war Massendruck auch
auf Blech möglich. Als Getränke-Behälter kam die Dose allerdings erst knapp hundert Jahre später
zu Ehren. An einem heißen Sommertag im Jahre 1932 (seit 1920 sind Herstellung und Verkauf von alkoholischen
Getränken in den USA verboten) denkt der technische Manager der "Gottfried Krueger Brewing Company", George Newman,
darüber nach, wie schön es doch wäre, gerade jetzt ein gekühltes Bier trinken zu können.
Und da eine Aufhebung des Prohibitionsgesetzes sich bereits abzeichnete, malte sich Herr Neumann aus, wie möglichst
problemlos das in seine portiert werden könnte, um auch die Bewohner des Westens in den Genuß seines Bieres
kommen zu lassen. Und er erinnerte sich an erste Versuche der Konkurrenten "Pabst" und "Anheuser-Busch", die bereits
drei Jahre zuvor erstmals probierten, Bier in Blechdosen zu füllen; und ein Angebot der "American Can Company"
für ein solches Unterfangen lag auch schon vor. Als schließlich 1933 das Alkoholverbot aufgehoben wurde,
orderte die "Krueger"-Brauerei 2.000 Dosen, deren Besonderheit eine Spezial-Innenbeschichtung war, die den Doseninhalt
vor Metall-Geschmack schützen sollte. Schließlich wurden für einen Testmarkt 0,341 l-Dosen mit
"Kruegers Special Beer" (Alkoholgehalt 3,2%) abgefüllt. Dieses Behältnis glich einer ganz normalen
Konservendose, und wer an den kostbaren Inhalt gelangen wollte, mußte erst zwei Löcher ins Oberteil
drücken. Hierfür wurde jeder Dose ein Öffner beigegeben.
Der Testverkauf verlief recht positiv und so traute sich die Vorreiter-Firma ein Jahr später ans Abfüllen
zweier anderer Biermarken des Hauses, diesmal erfolgte der Verkauf sogar überregional. Der Versuch war abermals
erfolgreich, und 1935 wurde die Bierdose in den USA offiziell eingeführt. Rund 100 Gramm wog dieses Ungetüm
damals (heute nur ca. 1/3 davon) und steigerte den Umsatz der "Krueger"-Brauer um 550%.
DOSEN AUCH IN DEUTSCHLAND
Amerikas damals größter Bier-Hersteller, die Firma Schlitz, entwickelte im gleichen Jahr eine
flaschenartige Dose mit konischem Oberteil, deren Verschluß mit einem Kronkorken (war bereits 50 Jahre zuvor
erfunden worden) verschlossen war. Fortan konnte auf die leidige Beigabe eines Öffners verzichtet werden.
1937 wurde die Weißblech-Dose auch im Deutschen Reich marktreif. Nach ,Schlitz"-Vorbild flaschenartig und mit
Kronkorken-Verschluß. Und die deutschen Konsumenten mußten sich, vom Verschluß abgesehen,
nicht groß an diese Dosenform gewöhnen, schließlich gab es das Metall-Putzmittel "Sidol" schon sehr
lange in ähnlichem Behältnis. Da während der Kriegsjahre Metall in allen seinen Formen sehr rar war,
boomte das Dosenbier erst wieder 1948, und der schottische Brauer McEwan war der erste, der wieder Abstand nahm von
der Flaschenform der Dose. Dennoch existierte die konische Variante bis in die 60er.
Erstmals stellte der "Schmalbach-Lubeca"-Betrieb 1951 wieder ein Bier mit metallener Hülle in Deutschland vor,
und bereits 8 Jahre später nahm erstmals die Getränkedose aus Aluminium den Wettbewerb mit dem
Weißblech auf. 1962 gab's endlich eine bequemere Möglichkeit des Dosenöffnens. Das sogenannte "Lift-Tap" (ein Metallstreifen verschloß ein Loch, aus dem sich der Gerstensaft dann ergießen sollte) wurde eingeführt, und 3 Jahre später besaßen bereits 70% aller USA-Dosen diesen Verschluß. In Deutschland wurde erstmals 1964 eine Bierdose mit Aufreißdeckel präsentiert. Durchsetzen konnte sich schließlich das Ring-Pull-System, welches allerorten diese ekelhaft scharfen Verschluß-Ovale hinterließ, die besonders gern ihre Opfer an Ostsee-, Elb- und Nordsee-Stränden suchten und Super-Wunden in nackte Füße schnitten. Doch seit einigen Jahren haben wir ja das Stay-On-Tab-System schätzen und lieben gelernt, das die Öffnungslasche auch nach dem Aufreißen an der Dose läßt.
PLASTIK-BIER
Trotz aller Dosen-Euphorie geht der Trend allerdings ganz woanders hin:
Nicht Glasflasche noch Dose, sondern Behältnisse aus dem Kunststoff Polycarbonat stellen wohl die Zukunft dar.
Nach Aussage des "Fraunhofer-Instituts für Lebensmitteltechnologie und Verpackung" laufen bei verschiedenen
Firmen bereits Versuche mit der neuen Materie. Zwar ist dies derzeit noch Zukunftsmusik, doch sollten wir uns mit
dem Gedanken vertraut machen, in wenigen Jahren auch Bier in Plastikflaschen angeboten zu bekommen. Doch noch
jubiliert die Dosen-Lobby: Der Umsatz mit Halbliterdosen explodiert. Griffen bei Mehrwegflaschen aus Glas schon 3%
weniger zu, gab's im ersten Halbjahr '94 -im Vergleich zum ersten Halbjahr '93- bei Halbliterdosen ein Plus von 22% (!)
. Allein Marktführer "Warsteiner" rechnet für 1995 mit einem Absatz von 120 Millionen Dosen.
Insgesamt dürften in der BRD weit mehr als 1 Milliarde leere Dosen jährlich anfallen. Tausend Millionen leergetrunke die Deponien belasten (auch wenn permanent suggeriert wird, der Großteil würde recycelt), sondern gerade auch in der Herstellung eine verheerende Umweltbilanz vorweisen: weit mehr Staub-, Schwefel- und Kohlendioxidemissionen und im Abwasser ein Vielfaches an Phosphor und Kohlenwasserstoffen im Vergleich zur Mehrwegflasche.
HEISS UND KALT
Rund 20 Pfennige müssen die Brauereien für die Herstellung einer einzigen Dose berappen, doch dürfte
dieser Betrag leicht in die Höhe schnellen, sollte jene Dose zum Standard werden, die der Engländer
Michael Anthony erfunden hat: eine Dose, die sich selber kühlt. 30 Sekunden nach öffnen der Dose hat das
Kühlsystem (auf dem Kühleffekt von komprimiertem Kohlendioxid basierend) jedes Getränk auf 5 Grad C
heruntergekühlt. Ein ziemlich idiotisches Unterfangen, wenn man weiß, daß Dosenbier (Flaschenbier
nicht!!) nach dem Abfüllen auf 70 Grad C erhitzt wird, um die letzten Keime abzutöten und das Getränk
haltbarer zu machen. Ein Verfahren, daß zu gewissen geschmacklichen Einbußen (Deutscher Brauer-Bund)
führen kann.
Soviel zum Jubiläum der Bierdose. Ob ihr weiterhin dem Dosenbier-Konsum frönt, liegt in eurem Ermessen.
Klar sollte sein, daß dies aus ökologischer Sicht eigentlich nicht vertretbar ist. Aber jedem Menschen
sollte durchaus ein kleines Laster zugestanden werden. Und wer Klopapier und Taschentücher aus Altpapier und
chlorfrei gebleicht erwirbt, wer Glas, Papier und selbst Korken sammelt, damit diese recycelt werden können,
wer auf Megaperls verzichtet, Transfair-Kaffee kauft und auch ansonsten eher ökologisch einkauft, dem sollte
durchaus zugestanden werden, die eine oder andere Dose Bier die Woche zu erwerben. Nicht zwingend PC, aber immer
noch gut genug, um als schlechtes Beispiel zitiert zu werden. In diesem Sinne: ALDI rules!
ro.
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